"Den Begriff 'Kundenfront' mag ich nicht"

Svea Raßmus, Deutsche Bahn

Svea Rassmus, Deutsche Bahn

Svea Raßmus, Leiterin Online-Redaktion und Media Management bei DB Vertrieb

Verspätete Züge, kaputte Klimaanlagen, stinkende Toiletten – die Deutschen ärgern sich über die Deutsche Bahn. Die Grenzen zum Bahn-Bashing auf den Sozialen Medien sind fließend. Wie geht die Bahn damit um? Wir fragen Svea Raßmus, Leiterin Online-Redaktion und Media Management bei DB Vertrieb.   

Frau Raßmus, gehen Sie noch immer gern zur Arbeit?
Natürlich, und ich kann die Befindlichkeiten und Ansprüche rund um die Bahn oder andere Mobilitätsanbieter nachvollziehen. Mir passiert dasselbe wie anderen Kunden. Ich bin Langstreckenpendlerin und fahre zweimal die Woche die Strecke Berlin-Frankfurt am Main. Dabei nutze ich verschiedene Angebote des ÖPNV. So kuschelig und manchmal auch ruppig der Arbeitsweg im Nahverkehr sein kann, möchte ich dennoch nicht im Auto sitzen und mich auf den Stadtverkehr konzentrieren, um dann nach der obligatorischen Runde um den Kiez hoffentlich einen Parkplatz zu ergattern. Ich habe Freude an meiner Arbeit, weil ich die Produkte und Services der Bahn für einen sinnvollen Beitrag zur Mobilität halte. Die Spannbreite der Zielgruppe ist groß. Vielleicht kann deshalb jeder etwas zur Bahn sagen, weil fast jeder mit ihr unterwegs ist. Schließlich ist die Bahn viel mehr als Zugbetreiber: Zur Bahn gehören auch Busse, Fähren, Leihräder, Autos oder Sammeltaxen.


Sie leiten die Online-Redaktion der Bahn und stehen damit täglich an vorderster Kundenfront. Welche Fähigkeiten brauchen Sie nötiger: die einer Psychologin, einer Juristin oder einer Medientechnikerin?
Ein Quäntchen von allem ist dabei. Menschenkenntnis, das Verstehen von Kommunikationsmechanismen, Gruppendynamiken, Bedürfnissen wie Aufmerksamkeit, Wertschätzung und von subjektiver Gerechtigkeit. Mein Soziologie-Studium und meine eigene Präsenz in Communities sind hier durchaus von Vorteil. Den Begriff „Front“ mag ich nicht, da wir den direkten Austausch mit Bahnkunden und Interessenten suchen und uns ja bei aller Kritik nicht in einem Kampfzustand befinden. Im direkten Kunden-Dialog sind die Kollegen und Kolleginnen des Community Managements und der Social Media Redaktion. Ich selbst halte mich mit meiner Funktion eher im Hintergrund und bin natürlich immer auch Ansprechpartnerin für die Online-Redaktion der DB, wo technisch und inhaltlich nicht nur die Social-Media-Kanäle betreut werden, sondern auch der Content für bahn.de, bahn.com, viele Tochterseiten wie die für die S-Bahnen und Busse sowie Content für den DB Navigator entsteht. 

Wie oft braucht die Bahn im Monat juristische Unterstützung beim Führen ihrer Social-Kanäle – und welcher Art?
Eine genau Zahl kann ich hier nicht sagen, aber es gibt etliche Themen, für die man juristisches Wissen und Unterstützung braucht: Datenschutz und Markenrecht zum Beispiel. Sicherheits- und Strafrechtlich-relevante Fragen werden von der DB Sicherheit/ Konzernsicherheit fachkundig beurteilt und bearbeitet. Einen guten Einblick über juristisch Relevantes gibt im Social-Media-Bereich der Deutschen Bahn die Netiquette. Sie ist in allen Profilen der Netzwerke hinterlegt. 

Welcher Social-Media-Kanal entpuppt sich für die Bahn bisher als der am häufigsten juristisch relevante?
Natürlich sind Facebook und Twitter aufgrund des hohen Kommunikationsvolumens am ehesten betroffen. 

Wie wichtig sind unternehmensinterne Regeln im Umgang mit den Social Media?
Sehr wichtig. Bei der Deutschen Bahn gibt es zum einen klare Regeln, Prozesse und Rollen im Umgang mit den Kunden und zum andern Empfehlungen des Konzerns für die Mitarbeiter zum eigenen Umgang im Netz. Dort hat die Bahn schon 2011 einen leichtverständlichen Kompass – auch in Form eines Videos – geschaffen.  

Es gibt noch immer viele Unternehmen, die mit den Social Media die Angst vor geschäftsschädigenden Shitstorms und juristischen Auseinandersetzungen verbinden. Was würden Sie solchen Unternehmen empfehlen?
Es gibt keine Option für Unternehmen, nicht  dabei zu sein. Denn die Kommunikation über Unternehmen und Marken findet sowieso statt. Stellt sich also nur noch die Frage, will ich die Fäden selbst in der Hand behalten und einen direkten Anlaufpunkt bieten oder ignoriere ich meine Kunden und Interessenten oder überlasse gar der Konkurrenz das Kommunikationsfeld? Reputationsmanagement besteht aus Kommunikation in allen Mediaformen – Owned, Paid, Social und Earned Media – , aus Marketing und Support. Ein Unternehmen kann sich nicht aus einem der großflächigsten Kommunikationsströme unserer Zeit heraushalten. Natürlich stellt sich stets die Frage, welche Accounts, Blogs und Communities man als Kontaktkanal nutzt. Man sollte also wissen,  wo die eigenen Kunden und Interessenten unterwegs sind und was sie von mir, meinem Unternehmen, meiner Marke erwarten. Grundsätzlich ist ein kundenzentrierter Ansatz der beste Weg. Fragen kostet nichts und ermöglicht relevante Beziehungen für beide Seiten. Das gilt auch für die Inhalte und Formate. 

 


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