Rezo for President – Nestlé vor Gericht

Kleine Ermutigung zum Nachdenken

Rezo for President – Nestlé vor Gericht

YouTuber Rezo treibt eine Presse vor sich her, der allmählich das Gespür für die Relevanz ihrer Themen abhanden zu kommen scheint.

Rezo wird Kanzler.  CDU und SPD haben erkannt, dass sie außer Dampfgeplauder nichts mehr zustande bringen und danken freiwillig ab. Sie geben Rezo freie Bahn für seine bessere Welt. Die Freitagsdemonstrationen der Schüler sind beendet. Gretas Heiligenschein verglimmt – ihre Wahl zur EU-Kommissionspräsidentin ist besiegelt. 

Beim Blick in die Tagespresse scheint dieses Szenario inzwischen gar nicht mehr so abwegig. Die tägliche Gier nach Rezos jüngsten Verunglimpfungen von Politik und Partei bereitet den Boden. Als handele es sich um das Levé des Sonnenkönigs, lässt man sich inzwischen die täglichen Aufreger in die Computertasten diktieren. Heute wird Julia Klöckner abgewatscht wegen angeblicher Schleichwerbung. Rezo will es so. 

Fakt ist, Klöckner hat ein Video mit Nestlé-Chef Marc-Aurel Boers getwittert. Sie bedankt sich, dass Nestlé ihrer Forderung nach weniger Fett in der Fertignahrung nachkommt. 

Rezo spricht: „Hätte ich exakt diesen Tweet mit genau so einem Video gepostet, hätte ich es als #Werbung kennzeichnen müssen." Und weil der 26-Jährige die Fans hat, die die klassischen Medien gerne als Leser hätten, gibt man sich dort verständnisvoll, verschärft: man wanzt sich dem YouTuber an. 

Die behauptete Schleichwerbung braucht der YouTuber erst gar nicht zu begründen. Diese Interpretation nimmt ihm die Presse gerne ab. Eine renommierte Tageszeitung der Holzbrinck-Gruppe sieht in Klöckners Freude, dass man sich über die Philosophie von Nestlé ausgetauscht habe, bereits ein einschmeichelndes „Flöten“ und zitiert vorauseilend die Richtlinien für „Posts, die als Werbung zu kennzeichnen sind, sobald sie eine Werbewirkung für Unternehmen und dessen Dienstleistung erfüllen oder es sich um Beiträge handelt, für die Nutzer von Unternehmen entlohnt werden.“  

Was die Zeitung offenbar vergessen hat: Klöckner ist keine von Followern abhängige YouTuberin. Sie hat ein Ministeramt mit politischem Auftrag. Eine „Geschäftsbeziehung“ mit Unternehmen ergibt sich daraus nur insofern als es ihre Aufgabe und Pflicht ist, den Rahmen abzustecken, innerhalb dem die Wirtschaft agiert. Im konkreten Fall handelt es sich um eine im politischen und gesellschaftlichen Konsens von Klöckner mit der Industrie ausgehandelte Selbstverpflichtung zu weniger Zucker, Salz und gesättigten Fettsäuren in Fertignahrungsmitteln bis 2025 – in einzelnen Schritten und überprüfbar. 

Dass Rezo hier mal kurzerhand die Geschäftsmodelle von YouTubern auf eine Bundesministerin in Ausübung ihres Amts überträgt, mag man ihm trotz seines Erwachsenenalters noch nachsehen. Nicht so der Tagespresse. Wer erst die AGBs der Sozialen Medien studieren muss, um sich am Ende zu einem „Ist zwar keine Schleichwerbung – hätte sich vielleicht aber nicht so mit einem CEO präsentieren sollen“ durchzuringen, sollte lieber selbst YouTuber werden. Der eh schon schwächelnden Presse erweist er jedenfalls einen Bärendienst. 
pd


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