Neue Strategien kann man nur entwickeln, wenn man seinen Spielraum kennt

Sabrina Colantoni, Rehau

Sabrina Colantoni führt neue Content Strategie bei Rehau ein

Sabrina Colantoni ist Global Brand Director bei Rehau. Eine anspruchsvolle Aufgabe, denn das  Familienunternehmen ist mit rund 20.000 Mitarbeitenden an mehr als 170 Standorten in 54 Ländern auf fünf Kontinenten vertreten – und konzentriert sich auf eine einzige Marke, seine Dachmarke. Für diese ist die Marketingchefin seit 2017 global verantwortlich. 

Frau Colantoni, Rehau gilt als Premiummarke für polymerbasierte Lösungen in den Branchen Bau, Industrie und Automotive. Vor allem aber ist Rehau ein Familienunternehmen. Welche besonderen Herausforderungen stellt das an Ihre Aufgaben und an eine tragfähige Content-Strategie?
Rehau plant langfristig und nicht nur für das nächste Quartal. Alle Unternehmensziele werden von Werten wie Nachhaltigkeit, People First und Innovation angetrieben. Die Content-Strategie und das Narrativ müssen integriert und auf den Brand Purpose ausgerichtet sein: Die Marke ist das Dach, die Identität des Unternehmens, der Grund, warum es existiert. Der Inhalt ist das Werkzeug, um die Markenidentität zu schaffen und die Marke mit den Werten zu verknüpfen. 

Hat die Pandemie diese Strategie wesentlich beeinflusst? 
Winston Churchill sagte einst, wir sollten eine gute Krise niemals verschwenden. Vielleicht ist es das größte Geschenk der Pandemie, dass sie uns die Möglichkeit gibt, unser Potenzial neu zu überdenken und sicherzustellen, dass wir uns für die Zukunft noch stärker positionieren. 

Wir schufen ein Kernteam
von sieben Personen

 
Und wie gelingt das?
Zunächst musste die interne Kommunikation neu strukturiert werden. Es war viel zu klären: neue Arbeitsweisen, eine neue Art der Interaktion. Interessant war, dass die Content-Strategie im Zuge dieser Krise ein deutlich stärkeres Gewicht erhalten hat. Bis zu Covid19 war sie eher eine Folge unserer Werbekampagnen. Aber nun stand sie wirklich im Mittelpunkt unserer Aktivitäten, verstärkt durch eine komplette Budgetkürzung binnen 14 Tagen und den Druck, schnell zu handeln. Alle Kollegen und Kolleginnen, die inzwischen zu Hause arbeiteten, mussten einbezogen werden. 

Wir schufen ein Kernteam von sieben Personen mit unterschiedlichen Fähigkeiten – von Kommunikationsstrategie über Inhalte bis hin zu Digital. Gerade das Erstellen von Inhalten und Geschichten ist eine sehr spezifische Fähigkeit. Dazu braucht es jemanden, der darüber nachdenkt, was vor sich geht, wie man es erzählen kann, was interessant sein könnte – und stets ein Auge darauf hat, was intern und extern passiert. 

Wie arbeitet diese Task Force genau?  
Eine der Hauptaktivitäten war es, zunächst mit den Leuten innerhalb des Unternehmens zu sprechen, zu recherchieren, Informationen zu sammeln, ein Verständnis dafür zu schaffen, welche Art von Geschichten für die Strategie relevant waren. Dann untersuchten sie, was draußen in der Welt passierte. Auf der Grundlage dieser Informationen plante und erstellte das Team die Storyline: Es bedeutete ein großes Stück Lobbyarbeit in der ganzen Organisation, um die Themen zu sammeln und allen Abteilungen und Ländern eine Stimme zu geben und sie zu unterstützen, ihre Geschichte zu erzählen. Der Erfolg war gar nicht so sehr das Erstellen von Beiträgen oder Artikeln, sondern vielmehr die Pflege dieser Verbindungen. 

Wir waren die Stimme des Unternehmens, und wir haben die Kollegen und Kolleginnen dazu gebracht, sich daran zu beteiligen. Der Ansatz für Inhalte und Content Marketing war damit ein komplett anderer. 

Das klingt nach einer Content-Strategie  „intern first“...
Ja, wir haben zunächst die interne Content-Strategie entwickelt und dann die externe. Denn in der Pandemie waren wir mit deutlich aufwändigeren internen Onboarding-Prozessen und sehr unterschiedlichen Situationen in jedem Land und jeder Organisation konfrontiert und suchten zunächst nach einer internen Storyline. Erst auf einer starken internen Inhaltsstrategie konnte die externe glaubwürdig aufsetzen.  

Kommunikation neu denken bedeutet:
Aufwand betreiben

Haben Sie ein Beispiel?
Wir haben in einem Dokumentarfilm in Zusammenarbeit mit den United Nations 50 Sustainability & Climate Leaders erläutert, was wir in den letzten 30 Jahren in Sachen Recyclingprozesse unternommen haben – und diesen Film zuerst intern veröffentlicht. Viele Mitarbeitende waren so stolz darauf, dass sie ihn über ihre eigenen sozialen Netzwerke multipliziert haben. (siehe Film am Ende des Interviews)
 

Sie erwähnten, dass der neue Ansatz für Inhalte und Content Marketing auch den Budgetkürzungen in der Werbung geschuldet ist. Gehen Sie davon aus, mittel- und langfristig tatsächlich Kosten damit zu sparen? 
Wir können und wollen uns nicht nur auf die Werbung verlassen. Denn: Ja, Werbung ist wichtig, aber sie ist nur ein Teil des Marketings. Wenn man Kommunikation neu denken und umsetzen will, muss man allerdings Aufwand betreiben. Man braucht mehr qualifizierte Leute – ein starkes Team, das in der Lage ist, sich innerhalb des Unternehmens zu vernetzen. Ich selbst investiere 60 Prozent meiner Zeit in Gespräche mit verschiedenen Abteilungen, erkläre, was uns wichtig ist und stelle sicher, dass wir in die richtige Richtung gehen. 

Unsere Task Force steht noch am Anfang. Wir haben aber viel vor: Unser neuer Ansatz soll auch auf die Marke übertragen und Storys produziert werden, die zielgruppenrelevant sind und zugleich an unserer Firmengeschichte anknüpfen. 

Was können Sie all denen mitgeben, die gerade selbst eine Content-Strategie planen?
Die Pandemie hat uns gezeigt: Wir können alte Narrative nicht in die Zukunft übertragen und nicht dieselben Botschaften und Herangehensweisen anwenden, die wir hatten. Neue Strategien kann man aber nur entwickeln, wenn man seinen Spielraum kennt und weiß, in welchem Umfeld man agiert. Dazu braucht es mehr Agilität, Flexibilität und einen offenen Geist.  

Das Gespräch der ungekürzten Originalfassung führte Ioana Sträter von QuestiQ GmbH im Rahmen eines umfassenden Einblicks in das aktuelle Content Marketing. Interviews und Online-Umfrage entstanden in Kooperation mit dem Content Marketing Forum (CMF) und dem Marketing Club Frankfurt: 


Film zum Thema Nachhaltigkeitsprozesse bei Rehau


Unser Newsletter