Newsroom nach Moss

Content Management

Christoph Moss

Christoph Moss gilt als Vater des Newsrooms. Er gab ihm erst ein Gesicht. Ein theoretisches Fundament. Eine Seele.

Herr Moss,  Newsrooms gelten als Antwort auf die Digitalisierung der Unternehmenskommunikation. Klingt großartig. Doch nicht jeder Newsroom ist von Erfolg gekrönt. Wo sehen Sie das größte Potenzial zum Scheitern?

Moss: Wenn man nicht mutig genug ist. Jeder Newsroom ist ein Changeprojekt und muss als solches mit viel Sensibilität geführt werden. Schließlich geht es um Menschen, die am Ende des Prozesses andere Aufgaben haben als zuvor. Da braucht es eine gute Planung, strukturiertes Vorgehen, ausreichend Zeit – und natürlich ein Management, das dahinter steht.

Und wozu braucht es Mut?

Nicht alle Mitarbeiter werden zunächst vom tiefgreifenden Wandel begeistert sein. Es gibt viele Ängste, zum Beispiel das eigene Büro und damit ein Stück Selbstständigkeit aufgeben zu müssen, oder in neue Abhängigkeiten zu geraten. Tatsächlich müssen Mitarbeiter mit Einschnitten umgehen lernen. Da ist viel Überzeugungsarbeit zu leisten, denn die Gefahr, auf halber Strecke einzuknicken, ist nicht gerade gering.

Wie können Sie gegenüber Mitarbeitern den Verlust liebgewonnener Aufgaben, Abläufe und Arbeitsumgebungen zum Preis neuer, noch vager Strukturen in einem Newsroom  verargumentieren?

Die meisten Mitarbeiter sind von Anfang an überzeugte Anhänger der Idee, andere tun sich allerdings auch schwer. Unsere Erfahrung zeigt, dass wir mit den Ergebnissen punkten können: Der Newsroom bietet höchstmögliche Transparenz über alle Inhalte und Abläufe. Und er ist eine zukunftsweisende Organisation mit großen Entwicklungschancen für jeden, der flexibel ist und sich für das Unternehmen und dessen Kommunikation in die diversen Zielgruppen hinein interessiert.

Wer organisiert idealerweise den Newsroom?

In aller Regel kommt die Initiative aus der Kommunikationsabteilung oder aus dem Marketing. Mitunter auch aus Bereichen wie dem Corporate Publishing. Ist der Newsroom eingerichtet, braucht es einen Chef vom Dienst, der den Newsroom leitet und alle Fäden in  der Hand hält; eine starke Persönlichkeit, die strukturiert denkt und gut damit lebt, nicht im Rampenlicht zu stehen, vielmehr hinter den Kulissen zu agieren, zu vernetzen, zu klären.

Sind Newsrooms für manche Branchen wichtiger als für andere?

Nein, aktuell zählen Banken und Versicherungen ebenso zu unseren Kunden wie Unternehmen aus den Bereichen Energie und Non Profit sowie politische Einrichtungen. Wir richten Newsrooms branchenübergreifend ein, ganz gleich, ob mit sechs, sechzehn oder sechzig Mitarbeitern.

Gibt es ein Grundprinzip, das die Arbeit im Newsroom definiert?

Ja, entscheidend ist die Trennung zwischen Themen und Kanälen. Es geht primär darum, definierte Zielgruppen mit Inhalten dort zu erreichen, wo diese wahr- und angenommen werden – und nicht länger darum, zum Termin X oder Y einen Newsletter oder ein Magazin zu befüllen. Das sind völlig unterschiedliche Denkansätze.

Personas helfen, Inhalte zu strukturieren und die passenden Kanäle zu bedienen

Beim immensen Output einiger Organisationen scheint es vor allem um Reichweite zu gehen.

Das mag mitunter tatsächlich so sein, sollte es aber nicht. Oft ist weniger mehr. Hier helfen Personas, Inhalte zu strukturieren und die passenden Kanäle zu bedienen. Die Inhalte selbst sollten sich an Jahres-Schwerpunktthemen orientieren, die auf Monats- bis hin zu Tagesaktivitäten heruntergebrochen werden. Darüber hinaus ergeben sich Inhalte aus dem Tagesgeschäft, wenn beispielsweise schnell auf eine aktuelle Entwicklung zu reagieren ist.

Newsrooms wie der bereits vor einigen Jahren bei Siemens in München eingerichtete sind kontinuierlichen Veränderungen unterworfen. Hat man das wirklich passende Modell für die Themenvielfalt solcher Kommunikations-kolosse noch gar nicht gefunden?

Newsrooms funktionieren ideal-typisch nach einem Modell, sind aber keine gestanzten Formate. Sie müssen sich mit den Erfahrungen weiterentwickeln. Als wir mit Siemens 2010 über den Newsroom diskutiert haben, standen Instagram, Snapchat und Whatsapp überhaupt nicht zur Diskussion. Niemand wusste, wohin die Reise geht. Wie in jeder Organisation, wird man Mitarbeiter und Aufgaben aufeinander abstimmen, das Kommunikationsvolumen immer wieder prüfen und das Team daran ausrichten.

Der Newsroom bietet höchstmögliche Transparenz über alle Inhalte und Abläufe 

Bei Kosten, die sich summa summarum in sechs oder siebenstelligen Regionen bewegen können – gibt es den Wunsch nach Effizienznachweisen?

Die Kosten entstehen vor allem beim Umbau und einer modernen technischen Ausstattung. Damit geht oft eine enorme Platzersparnis einher, denn die alten Einzelbüros sind alles andere als preisgünstig. Im Sinne konkreter Conversion Rates sind Effizienznachweise eher selten.

Worauf führen Sie das zurück? Auf die Erkenntnis von der zwingenden Notwendigkeit einer strukturierten Kommunikation. Die Gefahr, bei fehlenden Strukturen Zielgruppen erst gar nicht zu erreichen, ist allseits erkannt.

Hinzu kommt: Nutzung und Rezeption der Kommunikationsangebote über die diversen digitalen Kanäle lässt sich leicht messen und ist sowieso Alltag in der Unternehmenskommunikation. Und ob letztlich ein Produkt gekauft oder nicht gekauft wird, liegt an vielen weiteren Parametern, auf die eine Newsroom-Organisation keinen Einfluss hat, beispielsweise Preisbildung oder Service.

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