„An Content-Marketing und Storytelling kommen wir nicht vorbei"

Im Gespräch mit Thomas Brückle

„An Content-Marketing und Storytelling kommen wir nicht vorbei"

Die Geberit AG ist weltweit mit rund 12.000 Mitarbeitern im Sanitärbereich aktiv. Marketingchef Thomas Brückle von der Geberit Vertriebs GmbH macht seinen Geschäftsbereich zukunftssicher.

Herr Brückle, welche strategische Rolle spielt die Abteilung Marketing bei Geberit heute?
Ausgehend von einem zentralen und in den Qualitäts-Prozessen hinterlegten Workflow hat bei Geberit heute strategisch, konzeptionell und operativ das Marketing den Lead in der Marktbearbeitung und steuert somit weitgehend alle Vertriebs- und Marketingprozesse gesamtheitlich. Controlling und IT sind eng in die Prozesse eingebunden und unterstützen.

Wie verändert die Digitalisierung dieses Aufgabenspektrum?
Durch die Vernetzung von CRM hat das Aufgabenspektrum von Marketing in den letzten Jahren einerseits an Komplexität zugenommen. Andererseits haben Marketing- und Content- Automatisierung den Aufwand für das Bearbeiten von Leads deutlich reduziert. 

Um ein einheitliches Kundenerlebnis über alle Touchpoints hinweg zu schaffen, müssen Datensilos zusammengeführt werden. Leichter gesagt als getan, oder?
Datensilos stellen nach meiner Erfahrung eine Machtposition im Unternehmen dar und werden entsprechend verteidigt. Doch es braucht das radikale Umdenken in den Köpfen der Verantwortlichen, um Unternehmensprozesse so auszurichten und miteinander zu vernetzen, dass alle Vertriebs- und Marketingmaßnahmen nur ein gemeinsames Ziel haben:  maximalen und vor allem nachhaltigen Umsatz. Das heißt, die unterschiedlichen Datensilos müssen zwingend zusammengeführt, synchronisiert und auf den Kunden – respektive seine relevanten Bedürfnisse – ausgerichtet werden.

Und der Vertrieb ordnet sich dem Marketing unter? Oder wer ist Treiber der Entwicklung? 
Wenn man sich typische Marktbearbeitungsprozesse in Unternehmen wie beispielsweise die Einführung von Neuprodukten ansieht, stellt man schnell fest, dass Marketingaktivitäten typischen Vertriebsaktivitäten vorlaufen. Damit ist die Frage nach Henne und Ei schnell beantwortet: Marketing legt vor, Vertrieb nach.  Das heißt, Marketing wechselt in die Führungsposition und wird zum Treiber.

Wo steht Geberit heute in dieser Umbruchphase? 
Generell können und müssen bei Geberit noch mehr Prozesse automatisiert werden, bei der Vernetzung von Vertriebs- und Marketingkampagnen im CRM gibt es noch Optimierungsbedarf. Speziell im Bearbeitungsprozess von Leads müssen die Customer Journeys von B-to-B und B-to-C synchronisiert werden – noch laufen sie weitgehend parallel. Das liegt daran, dass sich mit der Übernahme der Sanitec Entscheider und Entscheidungswege verändert haben. Wir müssen unser klassisches Push-Pull-Geschäftsmodell auf Push-Pull-Pull umstellen: Im Bereich der Sanitärtechnik im Bereich hinter der Wand hat bisher der Handwerker im 3-stufigen Vertriebsweg die Kaufentscheidung getroffen. Heute beeinflusst oder entscheidet im Bereich der Sanitärkeramik vor der Wand der Endkunde. Nachlegen müssen wir auch bei der Integration der IT-Systeme, da die Vielfalt an unterschiedlichen Systemen und Formaten zu groß geworden ist.

Mit welcher Software steuert Geberit das CRM?
Wir hatten das CRM lange auf Lotus Notes und sind vor zwei Jahren auf Microsoft Dynamics umgestiegen, das auch Tools zur Automatisierung von Kampagnen enthält.

Welche Rolle spielen heute Content-Marketing und Storytelling?
Dadurch dass alle am Bauprozess beteiligten Personen – also Investoren, Bauträger, Architekten, Planer, Großhändler, Installateure und Endkunden – auch am Entscheidungsprozess beteiligt sind und sich gegenseitig beeinflussen, kommt Geberit an einem auf die Zielgruppen abgestimmten Content-Marketing und zielgruppenorientierten Storytelling nicht vorbei. Zielgruppenspezifische Content Hubs und einen Content-Pool für alle Medienkanäle eingeschlossen.

Wie organisieren Sie den Content? 
Unser Content Pool basiert aktuell noch auf einer programmierten Excel-Datei. Im Moment sind wir in der Evaluation von Software, was den Content Hub oder Newsroom und die Content Automation betrifft.

Sie fordern mehr Emotion auch im B-to-B-Marketing – zu welchen Tools greifen Sie?  
Mittel- bis langfristig können wir alle am Bauprozess beteiligten Zielgruppen nur über die Marke begeistern. Dabei setzt Geberit vor allem auf unterschiedliche Veranstaltungsformate, die nicht nur die linke Gehirnhälfte (Ratio) unserer Kunden, sondern vor allem auch die rechte (Emotion)   ansprechen. Denn wir wissen – auch in geschäftlichen Belangen entscheiden wir am Ende zu 97 Prozent mit dem Bauch. Dass digitale Medien für eine emotionale Kundenansprache geeignet sind, halte ich persönlich für fragwürdig. Meiner Ansicht nach zählt vor allem der physische Kontakt zum Kunden.

Trotzdem nutzen Sie auch Social-Media-Kanäle. 
Ja, neben den gängigen Kanälen Facebook und Instagram nutzt Geberit zunehmend auch eigene Blogs und Kanäle von Influencern. Die Erfahrung der letzten Jahre hat allerdings gezeigt, dass insbesondere im B-to-B  viele gehypte Kanäle bei weitem nicht die erhoffte Wirksamkeit erzielen. Aufwand und Ertrag stehen oft in keinem vertretbaren Verhältnis zueinander.

Die Aussage „Marketing goes digital“ würden Sie also nicht unterschreiben?  
Auch wenn sich Marketing immer neu erfindet und immer neue Spielarten digitaler Kanäle dazukommen, bedeutet das jedenfalls nicht, dass die alten Regeln des Marketing nicht mehr gelten. Egal, ob wir von integriertem Marketing, 360°-Marketing oder Holistic Marketing sprechen, im Zentrum aller Aktivitäten sollten immer die Fragen stehen: Befriedige ich ein relevantes Kundenbedürfnis? Und wie gelingt es mir, den Kunden auch emotional an die Marke zu binden? Dann klappt es auch mit der langfristigen Kundenbindung. Wichtig ist selbstredend die Kontinuität der Botschaften über alle Touchpoints – egal ob Vertriebs- oder Marketingkontakt, ob analoger oder digitaler Kanal.


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