Wer weiter zögert, schafft sich ab

Markus Elsen, Publicis Pixelpark (Teil I)

Markus Elsen, PublicisPixelpark

Markus Elsen

Markus Elsen, Director Content Creation bei Publicis Pixelpark, fordert von Verlagen, Agenturen und Corporate Publishern endlich mehr Mut, sich den neuen Regeln einer datengetriebenen Medien-Ära zu stellen und agile Organisationen zu schaffen.

Haben die Performance- und Mediaprofis das Rennen bereits für sich entschieden?

Ihr Vorsprung sei jedenfalls beachtlich, beobachtet Markus Elsen. Wer sentimental zurückblicke, habe das falsche Mindset. Was früher galt, sei passé. Ein für alle Mal. Punkt.

Stimmt, früher war einiges besser. Oder zumindest einfacher. Vieles war auch schlechter – sehr viel schlechter. Etwa, dass unsere Kunden schlicht glauben mussten, dass unsere Magazine und Kampagnen tatsächlich erfolgreich sind. Klar, es gab Leserbefragungen, Copytests, die IVW-Quartalszahlen – eben den ganzen „Humbug“ mit der verbreiteten und der verkauften Auflage. Allesamt Messverfahren, die wenig bis gar nichts über die Relevanz unserer Themen und Botschaften ausgesagt haben. Gern wurde Henry Ford zitiert: fünfzig Prozent bei der Werbung seien rausgeworfen - man wisse nur nicht, welche Hälfte das ist. Heute ist uns klar, dass Ford unrecht hatte. Tatsächlich dürften mindestens 70 bis 80 Prozent der Werbung ihr Ziel verfehlt – oder zumindest nicht effizient auf den Punkt funktioniert haben.

Streuverluste? Das war einmal.

Diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei. Mit den richtigen Kundendaten kann Content heute so optimiert ausspielt werden, dass jede Botschaft sitzt. Heruntergebrochen auf jeden einzelnen Leser, Kaufinteressenten oder Zielkunden. Wir kennen die soziodemografischen Profile, die Kauf- und Leserhistorie jeder einzelnen Person, die mit unseren Botschaften in Kontakt kommt. Wir können mit fast schon beängstigender Genauigkeit sogar die Wahrscheinlichkeit berechnen, mit der unser Adressat unser Produkt – oder unsere Botschaft kauft. Per Retargeting stellen wir sicher, dass kein Hot Lead verloren geht – unsere Content-Kampagne nicht abreißt – unabhängig vom Touchpoint. Kein einziger Artikel unseres Webzines, kein einziger Blog- oder Social-Media-Post kann seinen Adressaten verfehlen – wenn wir auf Data und Media setzen. Und wenn wir bereit sind, noch etwas tiefer in die Tasche zu greifen, bekommt sogar jeder Zielkunde seinen höchst individuellen Post – Artificial Intelligence und Marketing Automation machen es möglich.     

Wer die Daten besitzt und es versteht, sie richtig einzusetzen, ist klar im Lead. Macht es noch Sinn, in auflagenstarke Kundenmagazine, in Citylights- und 18/1-Plakate zu investieren, wenn Location Based Services die Ausspielung individualisierter Werbung am Point of Sale ermöglichen? Die klare Antwort: ja, wenn noch Budget übrig ist. Effizient geht heute jedoch anders.

Verlage haben abgewirtschaftet

Was heißt das aber für Editorial Content? Schauen wir uns die Verlagsbranche mit ihren Magazinen und Zeitungen an – „Gated Content“ in seiner haptischen Form. Ja, es gibt sie noch, die älteren Leser, die auch langfristig Print am Kiosk und im Abo beziehen wollen. Und auch einige hervorragende Special-Interest-Magazine werden überleben – aber in der Nische. Der Vergleich zur guten alten Schallplatte passt perfekt. Deren Verkäufe ziehen sogar wieder an – doch die breite Masse nutzt heute Streaming-Dienste wie Spotify, Apple Music oder Tidal. Der typische Hörer will seine Playlist, die seinem individuellen Geschmack entspricht – und die Algorithmen der Dienste liefern sie. Das wird so bleiben. So funktioniert interessengetriebene Grundversorgung heute.

Push vor dem Aus

Also die Verlagsbranche: Die Situation ist dieselbe. Die Leser wollen analog zum Musikalbum oder Sampler zunehmend keine vorgefertigten Magazine und Zeitungen mit einer bunten Mischung von Inhalten, die hoffentlich die Zielgruppe in ihrer Breite begeistern, sondern ihre individuellen Content-Playlists – auf ihrem individuell bevorzugten Kanal, in der individuell bevorzugten Taktung auf Basis von Social Signals oder Klicks. Eine Orwell’sche Zukunftsvision? Nein, die Verkaufs- und Abo-Zahlen zeigen es deutlich. Ebenso die Web-Analytics-Zahlen und Studien. Push steht in der Massenkommunikation vor dem Aus. Stellen wir uns besser der Wahrheit!

Influencer als Medienmarken

Und damit nicht genug: Seit geraumer Zeit etabliert sich eine alternative Medienszene jenseits der Verlage und TV-Networks. Die Rede ist von den megaerfolgreichen YouTubern und Instagram-Influencern wie PewDiePie, HolaSoyGerman, BibisBeautyPalace oder In a Nutshell, die Millionen von Followern haben und sich direkt über Ads und Kooperationen mit Markenartiklern finanzieren. Hinzu kommen reichweitenstarke Blogs. So kann beispielsweise „Motor Talk“ mit einer so hohen Fachkompetenz punkten, dass so mancher Auto-Fan sogar auf sein „Auto Motor Sport“-Abo verzichten kann – ehemals das Fachmagazin per se – für jeden mit „Benzin im Blut“. 

Seine Analyse ergänzt Markus Elsen in Kürze in einem weiteren Expertenbeitrag um eine differenzierte Handlungsempfehlung für Agenturen und andere Dienstleister.  

Markus Elsen

Markus Elsen

Markus Elsen ist Director Content Creation bei Publicis Pixelpark in München und Erlangen. Mit seinem Team betreut der Content-Profi Etats von Kunden wie Siemens, BSH und PATRIZIA.

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