"Uns fehlt immer noch die benötigte Datenqualität"

Alexander Schell kommentiert

"Uns fehlt immer noch die benötigte Datenqualität"

Markus Elsens Beitrag „Wer weiter zögert, schafft sich ab“ in LOUT vom 12. August kommentiert Alexander Schell vom Europäischen Institut für Angewandtes Kundenmanagement skeptisch.

Der Beitrag von Markus Elsen ist ohne Zweifel ein wichtiger Hinweis, auf welche Herausforderungen Marketing- und Kommunikationsexperten bereits heute eine Antwort finden müssen. Aber beim Studium der Statements gewinne ich den Eindruck, dass wir als Kommunikationsberater, Agenturinhaber und Content Marketing-Profis in naher Zukunft – ganz angewiesen auf die Hilfe unserer IT-Experten – nur noch vor Dashboards und Touchscreens sitzen und jedem einzelnen unserer Kunden fokussiert und dosiert genau die Content Splitter in Echtzeit digital offerieren, die er sich gerade erwünscht und erhofft hat.

Und genau das bezweifle ich - mit Blick auf die Realität. Denn das Geschilderte funktioniert doch bisher nur in ganz wenigen Unternehmen und Segmenten. Noch nie war es trotz aller Technik so schwer, den fluiden und hybriden Kunden zu erreichen, zu verstehen und ihn auf seiner Reise zu begleiten. Die Agentur Ogilvy Germany bezeichnete bereits vor Jahren den Konsument als Katze, die oft Tage lang herumstreunt, dann wieder zurückkommt und in diesem Moment auch sofort gestreichelt werden will.

Das heißt, uns Unternehmen und Dienstleistern fehlt immer noch die Datenqualität, die wir für den Vertrieb unseres Contents eigentlich benötigen. Und die Unternehmen tun immer noch zu wenig, um die Datenqualität zu verbessern, das beweisen mehrere aktuelle Studien.

Unternehmen in Deutschland haben vor allem mit unvollständigen, veralteten oder doppelt und mehrfach vorhandenen Daten zu kämpfen. Dennoch ergreift knapp jeder dritte befragte Entscheider nur unregelmäßig Maßnahmen, um die Datenqualität zu optimieren. Unternehmen, die keine derartigen Maßnahmen ergreifen, sagen, dass sie andere Prioritäten setzen. Oft mangelt es auch an den nötigen Kapazitäten oder am knappen Budget.

Das Lieblingsmedium der Deutschen ist ein Lean-Back-Medium

Das bedeutet aber auch, dass selbst agile Strukturen und Organisation der Agenturen und Unternehmen in Deutschland wenig bringen, wenn man seine eigenen Kunden aus dem Blickfeld verloren hat oder immer noch zu wenig über sie weiß.

Und vielleicht noch einen Blick auf die tatsächliche Mediennutzung der Konsumenten in Deutschland: Das Fernsehen und das Radio waren im Jahr 2018 die beiden Medien mit dem weitesten Nutzerkreis in Deutschland. Laut Media Activity Guide war das Fernsehen im Jahr 2018 in Deutschland mit durchschnittlich über vier Stunden Nutzung am Tag das Medium mit der längsten täglichen Nutzungsdauer. 196 Minuten sind es beim Internet.

Das heißt: Das Lieblingsmedium der Deutschen ist ein Lean-Back-Medium, das nur begrenzt interaktiv und rückkanalfähig ist.

Nicht viel anders sieht es beim Musik-Konsum aus: Das Radio liegt mit einem Zeitanteil von 43 Prozent klar vorne. Dies umfasst sowohl das terrestrische Radio als auch die Onlinenutzung von Radioprogrammen. Platz 2 nehmen mit deutlichem Abstand gekaufte Tonträger ein (17 %). Erst auf Platz 3 folgt der Musikkonsum über YouTube (12,1 %).  70 Prozent der Jugendlichen hören täglich Radio. Und erst auf Platz 4 finden sich mit 11,9 Prozent Premium-(also Bezahl-)Abos der Audio-Streaming-Dienste, mit einigem Abstand gefolgt von werbefinanzierten Audio-Streaming-Angeboten (4,6 %). Platz 6 belegen mit jeweils 3,5 Prozent zu gleichen Teilen „sonstige“ Nutzungsformen (zum Beispiel Musik auf dem USB-Stick von Freunden, über einen Dropbox-Link oder ähnliches) und Online-Piraterie.

Ich möchte hier nicht falsch verstanden werden. Ohne Frage, wir befinden uns in einem der wichtigsten Transformationsprozess der letzten Jahrzehnte. Vieles verändert sich so rasant, dass sich das Marketing in einigen Mikrobereichen bereits in der Hand von Chat-Bots und Robotics befindet. Aber trotz alledem dürfen wir nicht vergessen, dass die Mehrheit unserer Kunden keine Early Adapter, keine digitalen Heavy User, immer öfter Offliner und manchmal auch wieder reumütig zum analogen Zurückkehrende sind. Kein Trend ohne Gegentrend!

Halten wir die Augen auf unseren Märkten und in unseren Unternehmen daher weit offen, es gibt viel zu erkennen und zu sehen.

Alexander Schell

Alexander Schell

Alexander Schell, Diplom-Sozialwissenschaftler und Marketing-Fachjournalist, ist Geschäftsführer der Marketing- und Kommunikationsberatung Schell Marketing Consulting und Leiter am Europäischen Institut für angewandtes Kundenmanagement (eifk).

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